Page 17 - Wangerländer Flaschenpost 2022
P. 17

2022 / 1. Ausgabe                                      FLASCHENPOST – Ihre kostenlose Urlaubszeitung                                                   Seite 17

          Von Seemännern und Kanonieren





          Ein Audioguide bietet interessante Geschichten über das Küstenörtchen




           An 14 Orten sind kleine

           Plaketten mit QR-Codes

           zu finden. Am Hafen
           etwa oder an der Kano-

           ne  in  der  Viethstraße.

           Wer sich ein paar Minu-
           ten Zeit nimmt, kann Er-

           staunliches, Interessantes

           oder Skurilles erfahren.



           VON IMKE OLTMANNS

                           er mit etwas Muße
                           durch das Küstenörtchen
                           Hooksiel   schlendert,
                           kann viel mehr über die
          W ion erfahren als die
                            eg
                           R
           meisten Reiseführer so zu bieten haben. Ge-
           schichten nämlich, die nur die Hooksieler
           selbst kennen, weil sie über Generationen in
           den Familien weitererzählt werden. Und die
           nun gesammelt und aufgezeichnet wurden,
           für den Audioguide „Hörgarn“. An 14 Or-
           ten in Hooksiel sind 14 Geschichten zu fin-
           den, erkennbar an kleinen Plaketten mit dem
           Schriftzug „Hörgarn“ und einem QR-Code.
           Wer sich über sein Smartphone Zugang ver-
           schafft, kann sich gemütlich hinsetzen und
           einige Minuten zuhören.
              Erzählt werden authentische Geschichten
           über das Leben so nah an der See und über
           den Menschenschlag, den es hervorbringt.
           Man trifft auf schrullige Küstenbewohner und
           ungeübte Kanoniere, auf respekteinflößende
           Seemänner und einen überaus geschäftigen
           Handelshafen,  der  mit  dem  beschaulichen   Rund um den Hooksieler Hafen (Foto oben) gibt es verschiedene Hörgarn-Stationen. Zum Beispiel das Mudderboot (Foto unten rechts).    Fotos: Imke Oltmanns
           kleinen Hafen von heute kaum noch etwas
           gemein  hat. Dabei können  Sie auswählen:   und so sprechen sie teilweise auch heute noch   müssen wir das auch machen“, sagt Suckert im   stammt, aber doch aus der unmittelbaren
           Entweder Sie lauschen den Geschichten auf   untereinander.                        Gespräch. Interessenten für die Geschichten   Nähe, aus Waddewarden. Immerhin musste
           Hochdeutsch – das ist für ungeübte Ohren    Ausgedacht hat sich das Projekt der   gibt es genug: Hooksiel zählt mit Horumersiel   jemand her, der sich klar und deutlich aus-
           sicher verständlicher. Oder Sie wählen die   Hooksieler Matthias Suckert, der ähnliches   und Schillig zu den beliebtesten Küstenorten   drücken konnte und der den hier üblichen
           plattdeutsche Variante. Die ist für das hoch-  bei einem Hamburg-Besuch kennengelernt   im Osten der ostfriesischen Halbinsel und   plattdeutschen Zungenschlag beherrscht.
           deutsche Ohr eigentlich noch gut zu verste-  hatte. Er wollte es möglichst schnell auch für   zieht jedes Jahr viele Tausend Besucher an.   Beides sprach für den 70-Jährigen: Wilken
           hen, und natürlich ist sie viel authentischer.   seinen Heimatort umsetzen, denn „solange es   Eingesprochen  hat  die  Texte  Hermann   hat nicht nur jahrzehntelang für eine nieder-
           Denn so sprachen die Küstenbewohner hier   Leute gibt, die von früher berichten können,   Wilken, der zwar nicht direkt aus Hooksiel   deutsche Theatergruppe in seinem Heimatort
                                                                                                                                     auf  der  Bühne gestanden, er  ist  auch  Platt-
                                                                                                                                     deutschbeauftragter für den Landkreis Fries-
                                                                                                                                     land. Aus Überzeugung: „Diese Sprachkultur
                                                                                                                                     muss erhalten bleiben“, findet er. Nicht nur sei
                                                                                                                                     es nun mal die ortsübliche Sprache; man käme
                                                                                                                                     damit auch leichter an die Menschen heran.
                                                                                                                                     „Im Hochdeutschen liegt mehr Abstand“,
                                                                                                                                     findet Wilken, im Plattdeutschen aber könne
                                                                                                                                     man sich in vielen Dingen schneller näher-
                                                                                                                                     kommen. Wohl auch, weil man sich im Platt-
                                                                                                                                     deutschen meistens duzt. Und weil die Spra-
                                                                                                                                     che freundlicher ist: „Auf Plattdeutsch kann
                                                                                                                                     man ruhig mal etwas Derberes sagen, was im
                                                                                                                                     Hochdeutschen eigentlich schon eine Beleidi-
                                                                                                                                     gung ist.“ Beispiel? „Klei mi an d‘ Mors!“, was
                                                                                                                                     so viel heißt wie: „Du kannst mich mal!“
                                                                                                                                         Hermann Wilken ist übrigens nicht nur
                                                                                                                                     per Smartphone in Hooksiel abrufbar, man
                                                                                                                                     kann ihn  auch persönlich besuchen: Der
                                                                                                                                     70-Jährige hilft im Muschelmuseum mit, es ist
                                                                                                                                     in der Fußgängerzone zu finden, gleich neben
                                                                                                                                     dem Künstlerhaus. Auch am Muschelmuseum
                                                                                                                                     hängt übrigens eine Hörgarn-Plakette samt
                                                                                                                                     QR-Code. Hier gibt es Hermann Wilken also
                                                                                                                                     drinnen und draußen. Er selbst findet das gut:
                                                                                                                                     „Wenn ich sehe, dass sich draußen jemand die
                                                                                                                                     Geschichte zum Haus anhört, gehe ich schon
                                                                                                                                     mal raus und sage: Das ist meine Stimme.“
                                                                                                                                     Die Leute würden sich dann auch freuen.
                                                                                                                                         Wer nun gar nicht nach Hooksiel kommt,
                                                                                                                                     oder keine Zeit zum Herumwandern und Hö-
                                                                                                                                     ren hat, muss auf die Geschichten nicht ver-
                                                                                                                                     zichten. Auf Hoch- und auf Plattdeutsch gibt
                                                                                                                                     es die auch im Internet unter
                                                                                                                                                               www.hoergarn.de
           Seine Stimme ist das Hörgarn: Der Plattdeutschbeauftragte Frieslands, Hermann Wilken aus Waddewarden, hat alle Texte eingesprochen.
   12   13   14   15   16   17   18   19   20